Kühlwassereinleitungen
Dieser Bericht stammt aus dem Jahre 1984. Was hat sich in den letzten 31 Jahren bez. Kraftwerken / Kernkraftwerken verändert?
Warmes Wasser und seine Auswirkungen auf die Gewässer
Zwei Seelen wohnen – ach – in meiner Brust. Warum sollte es dem Angler besser gehen? Denn gerade er weiß, dass fast jede Abwassereinleitung in ein Gewässer negative Folgen haben kann und auch ein Kraftwerk leitet scheinbar Abwasser ab, zumindest führen breite Kanäle vom Kraftwerk in den Vorfluter, wie der Wasserbauingenieur die Angelgewässer nennt. Andererseits wissen inzwischen auch viele Sportfischer, dass in bestimmten Jahreszeiten die besten Fänge gerade unterhalb der Ausläufe von Kraftwerken erzielt werden. Wie also ist diese gespaltene Situation wirklich zu beurteilen?
Unterscheiden wir zunächst zwei Arten von Kraftwerken: konventionelle, also Öl-, Kohle- und Gas-befeuerte Anlagen einerseits und Kernkraftwerke andererseits. Im reinen Stromerzeugungsbereich bestehen keine prinzipiellen Unterschiede. Beide Kraftwerksgruppen erzeugen mit Hilfe von Wärme Dampf, der Turbinen antreibt, die wiederum Strom erzeugen. Der Dampf muss rück-gekühlt werden, hierzu wird Kühlwasser in großen, der Kraftwerkleistung angepassten Mengen benötigt. Eine weitere Verwendung finden die Kühlwasserströme im Kraftwerk grundsätzlich nicht. Das Kühlwasser, das mindestens 98 % des „Abwassers“ eines Kraftwerkes ausmacht, hat also, bis auf kleine Unterschiede, exakt die gleiche Beschaffenheit wie in dem Gewässer selber, aus dem es entnommen wurde. Im Kernkraftwerk ist zusätzlich damit zu rechnen, dass äußerst geringe Mengen radioaktiver Substanzen in das Abwasser gelangen. Ihre Radioaktivität ist im normalen Betriebszustand jedoch so klein, dass sie nicht zuverlässig von der ohnehin vorhandenen „natürlichen“ Radioaktivität unterschieden werden kann, die übrigens nicht aus der Natur selbst stammt, sondern zum überwiegenden Teil auf „Atomwaffenversuche“ (?) zurückzuführen sein soll.
Betrachten wir noch einmal genauer den Weg des Kühlwassers durch das Kraftwerk: Über Entnahmebauwerke fließt das Wasser aus dem Fluss ins Werk. Um die Kühlwasserpumpen zu schützen, sind mehrere Siebanlagen vorgeschaltet, in denen dem Wasser alle Feststoffe entzogen werden, die größer als wenige Millimeter sind, also vom Treibholz über alte Autoreifen, Plastiktüten und Laub bis hin zu Steinchen, Blechresten usw. An großen Kraftwerken fallen hierbei jährlich mehrere hundert bis tausend Kubikmeter Abfall an, also Stoffe, die im Gewässer nichts zu suchen haben. Das ist sicher ein äußerst begrüßenswerter Reinigungseffekt.
Die Sekundärkühlung
Das Wasser wird nun als sog. Sekundärkühlung eingesetzt. Ohne den Begriff näher zu erläutern, sei festgehalten, dass dieser Begriff auch bedeutet, dass sich das Wasser nur wenig erwärmt und nicht etwa werksintern kurzzeitig erhitzt wird. Nach allgemeiner Rechtspraxis ist die Aufwärmspanne des Wassers auf 10°C begrenzt, wobei diese Spanne meist nur selten voll ausgenutzt wird. Eine Begrenzung dieser Aufwärmspanne ist unbedingt erforderlich, um die sich im Wasser befindenden Kleinlebewesen (Bakterien, pflanzliches und tierisches Plankton u.a.) nicht durch „Abkochen“ zu töten, sondern weitestmöglich am Leben zu erhalten. Trotz allem lässt sich ein gewisser Verlust bei der Passage durch das Kraftwerk nicht vermeiden, da zum Beispiel durch mechanische Beschädigung in den Pumpen sowie durch Druckdifferenzen im Leitungssystem Organismen geschädigt werden.
Das aus dem Kraftwerk abfließende, um maximal 10° aufgewärmte Wasser enthält also wesentlich weniger feste Begleitstoffe als vorher, jedoch einen Anteil toter und geschädigter Kleinlebewesen, der allerdings von wenigen Prozent bis zu ¼ und mehr schwanken kann. Die Menge des vom Kraftwerk verwendbaren Kühlwassers ist zudem so begrenzt, dass sich nach vollständiger Vermischung des Kühlwassers mit dem im Gewässer verbliebenen, unbenutzten Wasser eine Aufwärmspanne von höchstens 3°, oft sogar nur 2° C ergibt. Weiter wird meist darauf geachtet, dass das Kraftwerk höchstens 1/3 des Gesamtwassers eines Flusses verwendet, wobei sämtliche Beschränkungen auch bei Niedrigstwasser eingehalten werden müssen.
Die Wassertemperatur
Wenn man berücksichtigt, dass die Wassertemperatur deutscher Flüsse jahreszeitlich bedingt um 20 bis 22° schwankt, so wird klar, dass eine zusätzliche Aufwärmung des Wassers um 2° im Fluss selbst kaum negativ wirken kann. Auch die höhere zugelassene Spanne von 10° für den Kühlwasserstrom selbst bedeutet, dass das Wasser maximal 28 bis 30° warm wird. Diese Temperatur halten praktisch alle Gewässerorganismen aus, zumal Kraftwerke nicht an Forellenbächen mit kälteliebenden Organsimen gebaut werden, sondern an Flüssen und Strömen, in denen, wie erwähnt, ohnehin nur wärmeliebende Arten überleben können.
Am wichtigsten bei der Beurteilung von Abwärmeeinleitungen ist, auch nach allen bekannten gewordenen Resultaten langjähriger wissenschaftlicher Forschungen in betroffenen Gewässern folgender Sachverhalt: Alle Wasserorganismen sind temperaturabhängig. Ihr Stoffwechsel beschleunigt sich im Sommer um ein Vielfaches gegenüber dem Winter, was in der Praxis höhere Futteraufnahme, schnelleres Wachstum, höheren Sauerstoffbedarf sowie – zum Beispiel bei Fischen – bessere Beweglichkeit bedeutet. Die für die Gewässerselbstreinigung verantwortlichen Kleinlebewesen bauen also eine Schmutzfracht schneller ab, benötigen dafür aber auch in kürzerer Zeit mehr Sauerstoff. Fische finden andererseits mehr Nahrung, wachsen schneller und sind im Herbst länger lebhaft, also fangfähig.
Fassen wir zusammen: Nach heutigem Kenntnisstand werden durch Kühlwassereinleitungen keine Arten direkt gefährdet, vornehmlich aber die Selbstreinigung leicht beschleunigt, gleichzeitig aber durch beschädigte Kleinorganismen die Schmutzfracht erhöht. Der Sauerstoffbedarf steigt, das Wasser wird jedoch im Kraftwerk meist zusätzlich belüftet. Alles in allem dürfte also hier kein großes Problem liegen, verglichen zum Beispiel mit Abwassereinleitungen aus Kläranlagen.
Abschließend ein Blick auf die radiologische Situation: Das generelle Problem liegt in den Isotopen, die sehr lange Zerfallszeiten haben, also über viele Jahre in praktisch gleicher Menge vorliegen. Diese Stoffe gelangen zum Beispiel mit der aufgenommenen Nahrung in Fische und können sich hier, wie auch in Krebsen, Pflanzen u.a. über die gesamte Lebensdauer des jeweiligen Organismus anreichern. Entsprechende langjährige Kontrollen bei Kernkraftwerken haben jedoch bisher keine schädlichen Konzentrationen in Fischen ergeben. Wie die Entwicklung in zwanzig oder hundert Jahren weiter verläuft, kann heute niemand absehen, so dass an dieser Stelle keine Mutmaßungen angestellt werden sollen.
Deutsche Sportfischer-Zeitung Nr.2 Februar 1984
Von U. Günter
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