Auf Karpfen im Winter -1986-
Quelle: „Kapitale Karpfen“ –von Andre van der Schaft, Cees van Kempen, Hans Nijman.
Wer früher im Winter Karpfen fischte, wurde für verrückt erklärt. Heutzutage wissen immer mehr Sportfischer, dass der sogenannte „Winterschlaf“ der Karpfen ein Märchen ist. In den letzten Jahren ist eindeutig geworden, dass auch im Winter das Karpfenfischen erfolgreich sein kann. Es gibt sogar Gewässer, in denen die Karpfen im Winter leichter zu verführen sind als im Sommer. Selbstverständlich bilden diese Gewässer nur eine Ausnahme. Trotzdem können in beinahe jedem Gewässer im Winter Karpfen gefangen werden. Diese Winterfischerei erfordert natürlich eine andere Methode.
Das Fressverhalten der Karpfen ist in den kalten Wintermonaten völlig anders. Der Stoffwechsel des Fisches hängt zu einem großen Teil von der Wassertemperatur ab. Bei den milderen Sommertemperaturen tritt ein erhöhter Stoffwechsel ein. Der Karpfen braucht dann mehr Brennstoff, also mehr Nahrung und wird sich stärker bemühen, die Nahrung zu suchen. Bei niedrigen Temperaturen braucht der Fisch wenig Nahrung. Außerdem zehrt er in hohem Maße von dem Fettvorrat, den er sich im Herbst angefressen hat. Er wird sich darum nur auf wenige und kurze Nahrungsperioden beschränken, in denen er gerade so viel Nahrung zu sich nehmen wird, wie er braucht, um den Winter zu überstehen. In dieser Zeit wächst er kaum.
Die Wahl des Gewässers ist außerordentlich wichtig. Es empfiehlt sich, ein Gewässer zu wählen, dass Sie vom Sommer her kennen. Die Karpfenfischerei im Winter ist nicht immer ein Vergnügen, doch eine Herausforderung für diejenigen, die nicht gleich aufgeben. Kälte, Wind und Niederschlag wecken Gedanken an das warme Zimmer daheim. In diesen Augenblicken müssen Sie sehr stark davon überzeugt sein, dass Sie eine Chance haben! Ihre Stimmung wird darum umso besser, wenn Sie ein Gewässer befischen, in dem Sie früher in der Saison schon ein paar Burschen gefangen haben. An einem unbekannten Gewässer geraten Sie rascher ins Zweifeln, wenn ein Anbiss zu lange auf sich warten lässt.
Im Grunde können Sie im Winter in jedem Gewässer Karpfen fangen. Gewässer mit einer dichten Population kommen zu allererst in Betracht. Hier ist die Chance auch größer, einige Karpfen anzutreffen, die gerade während Ihrer Anwesenheit Nahrung suchen. Die sog. Karpfenpfühle und Parkgewässer garantieren im Winter oft den Erfolg. Stellen Sie sich der Herausforderung, ein großes Gewässer zu testen, dann ist es sehr wichtig, dass Sie die örtliche Situation kennen und dass Sie sich Zeit nehmen, die Nahrungsperioden und die Aufenthaltsorte der Fische herauszufinden. Selbstverständlich sind viele Sportfischer schnell geneigt, sich nach Kanälen umzusehen, in die man warmes Wasser einleitet. Gibt es ein solches Gewässer in Ihrer Nähe, dann ist das bestimmt keine unvernünftige Wahl. Denken Sie lieber daran, dass Sie das Unterwassergeschehen nicht mit dem in kalten Gewässern vergleichen können. Es handelt sich hier auch nicht um echte Winterfischerei. Die Lufttemperatur mag sehr niedrig sein, der Karpfen bemerkt das überhaupt nicht. Die Angelmethoden werden hier dann auch im Wesentlichen mit denen der Sommerfischerei übereinstimmen. Nur dass Sie sich selber dem Winterklima über dem Wasserspiegel anzupassen haben.
Wir gehen davon aus, dass Sie eine vernünftige Wahl getroffen haben und überlegen uns nun den Platz. Es ist ratsam, im Sommer schon einige Vorarbeit zu verrichten. Ohne Zweifel werden Sie während des Sommers schon das Nötige wahrgenommen haben, wovon Sie auch im Winter profitieren können. Sie werden zum Beispiel einen tieferen „Pfuhl“ antreffen oder Unterschiede in der Bodenbeschaffenheit entdecken. Tragen Sie all diese Einzelheiten in Ihr Fangbuch ein, so dass Sie sie später benutzen können. Wir verdeutlichen es mit einem Beispiel aus der Praxis. Nehmen wir an, dass Sie im Laufe der Jahre zusammen mit Ihrem Angelfreund ein bestimmtes Gewässer regelmäßig besucht haben. Sie haben bemerkt, dass der Boden zwar schlammig ist, aber dass es auch ein paar härtere Sandplatten gibt. Die Wassertiefe ist fast überall eineinhalb Meter. Zusammen mit Ihrem Freund haben Sie beschlossen, dieses Gewässer auch im Winter zu befischen. Es empfiehlt sich, in dem Falle zwei Plätze zu wählen, die wesentlich voneinander abweichen. Sie fischen zum Beispiel bei etwas überhängenden Bäumen auf dem weichen Schlammboden, während der Freund den Köder auf eine Sandplatte legt. Wenn Ihr Freund erfolgreich war und Sie überhaupt keine Karpfenaktivität bemerkt haben, dann sollten Sie bei der nächsten Gelegenheit am besten auch eine Sandplatte als Angelplatz wählen. Ohne vorhergehende Beobachtung in den Sommermonaten hätten sie diese Sandplatten nicht finden können. Es wäre dann ein Rätsel geblieben, weshalb der Freund Bisse hatte und Sie nicht.
Nicht nur im Sommer können Sie interessante Hinweise sammeln. Auch im Winter kann es nützlich sein, einige Male den Platz ohne Rute zu besuchen. Nehmen Sie sich dazu aber Zeit, denn im Winter verrät der Karpfen seine Anwesenheit nicht so schnell wie im Sommer.
Obwohl der Karpfen sich auch im Winter wohl hin und wieder an der Oberfläche zeigt oder sich in voller Größe aus dem Wasser erhebt, scheint das Springen eine sommerliche Angelegenheit zu sein. Der Mangel an Wasserpflanzen macht das Aufspüren der Fische auch nicht leichter. Während Sie im Sommer den Fisch an Hand des sich bewegenden Rohres oder wiegender Wasserlilien lokalisieren konnten, werden Sie im Winter nach anderen Anhaltspunkten suchen müssen. Auch wird der Fisch wegen der geringeren Aktivität wenig Blasen produzieren. Aber –werden Sie sich vielleicht fragen – wie kann ich die Tiere dann finden? Der Karpfen zieht es auch im Winter vor, an der Seite des Wassers, an die der Wind weht, auf Futtersuche zu gehen. Sicher ist es so, wenn diese Seite des Wassers in der Sonne liegt. Bei starken Nordostwinden muss der Karpfen allerdings an den windfreien Stellen gesucht werden, da dieser Wind das Oberflächenwasser stark abkühlt und das kalte Wasser zum Windufer getrieben wird.
Meist sind die im Sommer sehr produktiven Plätze auch gute Winterplätze. Die Fische einen sich dann kaum um Windrichtung, Sonnenstand und Wassertiefe zu kümmern. Es braucht Sie nicht zu wundern, dass Sie Karpfen an seichten Stellen fangen, wo Sie den Fisch nur an einem warmen Sommertag erwartet hätten. Weiter begünstigt Sie der Umstand, dass das Wasser viel klarer ist als im Sommer, und Sie oft den Boden sehen können. Im Winter sind nämlich die Algen abgestorben und zu Boden gesunken. In dieser Zeit ist der Karpfen passiv und wühlt den Boden nicht so stürmisch um. Für diese Beobachtungen ist eine Polarisationsbrille ein unentbehrliches Hilfsmittel.
Nicht nur wir, sondern auch der Karpfen profitiert von diesem klaren Wasser. Er hält sich fern vom Ufer, an dem man regelmäßig spazieren geht. Dies scheint ein Nachteil zu sein, ist es aber nicht! Wenn wir nämlich wissen, wo der Karpfen sich aus diesem Grunde nicht aufhält, wird das Gebiet, wo der Fisch sich möglicherweise befindet, immer kleiner. Und damit wird die Chance, den Fisch lokalisieren zu können, immer größer. Der nächste Schritt ist, Ihre Beobachtungen auf die Plätze zu konzentrieren, an denen sich wenige Leute befinden. Oft sind das die Strecken, an denen Sträucher und Bäume am Ufer wachsen. Wenn Sie auf einen Baum steigen, bekommen Sie einen ausgezeichneten Eindruck von dem, was sich unter Wasser abspielt. Nicht selten können Sie auf diese Weise eine Gruppe Karpfen entdecken. Sie brauchen dann nur noch einen geeigneten Standort zu suchen, von dem Sie den Fisch überlisten können.
Wenn Sie auch auf diese Weise keinen Karpfen finden, ist das Beobachten trotzdem nicht umsonst gewesen. Sie haben dann auf jeden Fall wieder ein Stück Wasser ausfindig gemacht, in dem der Karpfen bestimmt nicht ist. Wenn Sie sich jetzt auf die Gebiete konzentrieren, die Sie nicht beobachten konnten, dann ist Ihre Chance auf Fisch wieder größer geworden. Wenn Sie während des Suchens trübes Wasser erblicken, seien Sie dann nicht enttäuscht, dass Sie nun nichts mehr sehen. Dies ist eher ein Grund zu einem Freudenschrei. Für diese Wassertrübe gibt es nur eine Ursache: Wühlende Karpfen auf Futtersuche!
Auch während des Fischens sollten Sie weiter beobachten. Scheuen Sie sich nicht, einen anderen Platz zu aufzusuchen, wenn Sie dort einen Karpfen rollen sehen. Im Sommer ist das weniger wichtig, weil die Chance groß ist, dass die Karpfen nach einiger Zeit auch Ihrem Platz einen Besuch abstatten werden. Im Winter aber ist der Karpfen ziemlich ortsgebunden und wandert selten. Bedenken Sie, dass der Karpfen sich jetzt noch mehr in Gruppen aufhält und zögern Sie jetzt nicht! Je passiver der Karpfen, desto aktiver müssen Sie sein!
Genauso wichtig wie im Sommer ist das Anlegen eines guten Futterplatzes. Denken Sie aber ständig daran, dass der Karpfen weniger Nahrung zu sich nimmt. Genaue Richtlinien für die Futtermenge sind kaum zu geben und hängen stark vom Angelplatz ab. Die Karpfen in gut bevölkerten Gewässern sind gerade im Winter auf ein beschränktes Nahrungsangebot angewiesen und werden Ihrem Futter große Aufmerksamkeit schenken. Dies im Gegensatz zu Gewässern, wo es nur wenige Karpfen gibt. Hier reicht das natürliche Nahrungsangebot auch im Winter noch aus. Wichtig ist es dann, darauf zu achten, dass Ihr Köder nicht von schlechterer Qualität ist als das natürliche Nahrungsangebot.
Übermäßiges Füttern könnte aber bedeuten, dass der Karpfen das Futter liegen lässt. Wirklichen Hunger hat er ja nicht und die Chance ist groß, dass der Fisch satt ist, bevor er Ihr Boilie findet. Trotzdem ist Füttern im Winter von großer Wichtigkeit. Wegen der geringen Mobilität des Karpfens ist die Chance, dass ein einziges Boilie gefunden wird, sehr gering. Eine umfangreiche Futterbahn vergrößert diese Chance. Wenn er einmal ein schmackhaftes Boilie gefunden hat, wird er sorgfältig auf die Suche nach mehr gehen.
Wenn Sie regelmäßig kleine Portionen füttern, können Sie den Karpfen daran gewöhnen. Auf diese Weise regen Sie den Fisch dazu an, regelmäßig nach Nahrung zu suchen. So zeigt sich zum Beispiel, dass in Gewässern, in denen im Winter regelmäßig von Weißfischanglern gefüttert wird, auch gut Karpfen zu fangen sind.
An einem solchen Platz, wo der Fisch gelernt hat, regelmäßig nach Nahrung zu suchen, ist es meistens nicht nötig während des Fischens zu füttern. Der Fisch wird durch Ihr Anfüttern vor dem eigentlichen Angeltag den Köder auch ohne Futterbahn innerhalb einer akzeptablen Zeit finden. So vermeiden Sie, dass der Karpfen satt ist, bevor er Ihren Köder entdeckt. Anfüttern ist also ganz bestimmt nützlich, aber sie müssen überlegter vorgehen als im Sommer. Alles zusammengenommen ein schwieriges Problem, zu dem bemerkt werden muss, dass sogar Spezialisten Meinungsverschiedenheiten haben. Wenn der Erfolg ausbleibt, müssen Sie die Ursachen überprüfen und die Fehler in Ihrem Vorgehen suchen.
Es ist von großer Bedeutung, das Wetter genau zu beobachten. Der Karpfen reagiert schon auf leichte Wetterveränderungen sehr empfindlich. Vor allem die Tage, an denen spärlicher Sonnenschein die Temperaturen noch ein bißchen steigen lässt sind es, die den Karpfen aus seiner Lethargie wecken. Diese Tage sind aber sehr selten. Wenn Sie an solchen Tagen das Wasser beobachten, werden Sie doppelten Nutzen davon haben. Mindestens die Sonne werden Sie genießen können.
Erfolge werden sich in der Regel nur um die Mittagszeit einstellen. Ein Angeltag vom frühen Morgen bis zum späten Abend zwischen 10 und 16 Uhr. Eine Regel wäre aber keine Regel, wenn es keine Ausnahmen gäbe. Es gibt nämlich auch Fischwasser, in denen der Karpfen ganz andere Fressperioden hat. Um zu entdecken, welchem Zeitpunkt der Karpfen dort den Vorzug gibt, bleibt Ihnen nur eine Methode: Sie müssen sich die Mühe machen, einmal vierundzwanzig Stunden lang zu fischen. Karpfen haben nämlich die Gewohnheit, zu bestimmten Zeitpunkten auf Futtersuche zu gehen. Wenn Sie die Zeitpunkte kennen, können Sie sich in Zukunft auf diese wenigen Stunden konzentrieren. Leider ist eines der Merkmale unseres Klimas, das sich die Sonne an vielen Tagen überhaupt nicht sehen lässt. Wenn es dann auch noch rauhen Wind gibt und der Regen auf den Regenschirm prasselt, dann wird das Fischen auf Winterkarpfen wohl sehr ungemütlich. Sie müssen dann schon ein echter Draufgänger sein, um nicht zu Hause zu bleiben. Die Möglichkeit schlecht wegzukommen, ist sehr groß. Jedoch nach dem Motto „zu Hause fange ich bestimmt nichts“, gibt es immer wohl ein paar Fans, die sogar dann noch tapfer und allein am Ufer sitzen. Oft ohne Resultat, aber manchmal erscheint der Karpfen ganz unerwartet und alle Leiden sind vergessen.
Der Luftdruck spielt im Winter eine wichtigere Rolle als im Sommer. Wenn das Barometer auf und nieder geht, hat das durchaus Einfluß auf den Fisch. Absolute Passivität ist meistens die Folge. Am günstigsten sind deshalb Perioden mit dauerhaft konstantem Luftdruck. Es ist dann nicht so wichtig, ob dieser hoch oder niedrig ist, mit der Einschränkung, dass ein hoher Luftdruck auch Nachtfrost bringt. Wind aus westlicher oder südlicher Richtung bringt meistens mildes Wetter. Das hat einen günstigen Einfluss auf das Fressverhalten des Karpfens.