Wann beißen Karpfen? von A. Bacmeister -1966-

Geschichte(n) rund um den Karpfen
Wann beißen Karpfen? von A. Bacmeister -1966-
Die Saison beginnt an sich schon im Frühjahr, wenn mit der steigenden Sonne auch die Temperaturen des Wassers steigen. Eine alte Fischerregel sagt, dass der Karpfen an die Angel geht, wenn der Kuckuck ruft, also Ende April. Es werden bei milder Witterung auch schon im März Karpfen gefangen. Persönlich beginne ich so früh im Jahr nicht mit dem Fang – die nahende Laichzeit setzt ja etwaigen Versuchen sowieso bald wieder ein Ende. In geschlossenen Gewässern gilt die gesetzliche Schonzeit bekanntlich nicht. So können wir, sofern es der Verein bzw. Verpächter gestattet, in Baggerseen, die regelmäßig besetzt werden, schon in den Monaten Mai und Juni erfolgreich angeln. Da in solchen Gewässern die Karpfen fast nie ablaichen, bestehen auch vom waidgerechten Standpunkt aus keine Bedenken, mit dem Fang zu beginnen.
In allen Lehrbüchern kann man lesen, dass die frühen Morgen- und die späten Abendstunden am aussichtsreichsten sind. Das ist richtig, gilt aber nicht für jedes Gewässer und für jede Jahreszeit. Zutreffen wird diese Regel im allgemeinen in den Sommermonaten bei heißem Wetter. Je weiter die Jahreszeit fortschreitet, umso mehr werden sich die Fressstunden zur Tagesmitte hin verschieben. In einem süddeutschen Fluss haben meine Angelfreunde und ich jahrelang karpfen im Juli und August am späten Nachmittag und Abend, ab September vormittags zwischen 11 und 12 Uhr, nachmittags zwischen 4 und 5 Uhr gefangen. Dieses Beispiel zeigt, dass es tatsächlich bestimmte Fresszeiten gibt, die der Karpfen einhält, wenn er nicht beunruhigt wird. Diese Stunden zu kennen, ist natürlich wichtig, aber leider nur möglich, wenn man am Wasser wohnt. Der Urlaubsangler ist, wenn er nicht alles einem mehr als zweifelhaften Glück überlassen will, auf den Rat selbstloser Sportfreunde angewiesen. Sind diese nicht vorhanden, so muss er sich durch Anfüttern erst einmal Fangplätze schaffen und dann mit viel Geduld zu ermitteln versuchen, wann die Karpfen fressen.
Günstig sind nach meinen Erfahrungen lang anhaltende Schönwetterperioden mit gleich bleibendem oder nur wenig schwankendem Barometerstand bei nicht zu großer Hitze, vor allem die Abende des „Altweibersommers“; schöne, milde Herbsttage, wenn die Nachttemperaturen noch nicht stärker absinken; leichter, warmer Regen; niedriger Wasserstand im Fluss (sofern das Wasser noch einigermaßen sauber ist); die sonnenbeschienene Seite eines Sees am Morgen, wo das Wasser sich rasch erwärmt.
Eine Gewähr für den Erfolg bieten alle diese äußerlich günstigen Umstände nicht. Ich dachte, als ich sie aufzählte, daran, dass der 11,7 kg schwere Karpfen, der lange Zeit den englischen Rekord hielt, bei kühlem, rauhem Wetter und stark bewegter Wasseroberfläche gefangen wurde!
Auch während der Nacht ist ein Erfolg möglich; die Meinung, der Karpfen gehe vorwiegend in der Dunkelheit auf Nahrungssuche, ist jedoch nicht zutreffend, er ist kein nächtlich lebender Fisch wie etwa Aal, Rutte oder Wels.
Viele Angler schwören auf die nach den Solunar-Perioden berechneten Beißzeiten, die beispielsweise im „Sportfischer-Jahrbuch“ für jeden Tag des Jahres angegeben sind. Andere sind skeptisch und halten gute, innerhalb der Beißzeiten liegende Fänge für Zufälle. Um zu einem gültigen Urteil zu kommen, wären jahrelange, systematische Beobachtungen durch zahlreiche Angler erforderlich. Die sicherste, wenn auch langwierigste Methode, die besten Beißzeiten zu ergründen, sind regelmäßige Eintragungen in das Fangbuch. Dabei sollten Barometerstand, Wasser- und Lufttemperatur vor Beginn und nach Beendigung des Angelns nicht vergessen werden. Aus den Eintragungen ergibt sich im Laufe der Jahre für das befischte Gewässer ein einigermaßen klares Bild, wann die Karpfen „zu sprechen sind“. Aber auch dann noch gilt, was Hans-Heinrich Welchert im Sportfischer-Jahrbuch 1966 zum Thema „Wetter und Beißlust“ schrieb: Der Angler „weiß, dass ein Wettergott nach Gesetzen, deren Hieroglyphen wir nur unvollkommen entziffert haben, das Fischvolk regiert. Von dieser uns unsichtbaren, überirdischen Naturkraft hängt es neben unseren eigenen Fehlern ab, wie der Angeltag verläuft“.

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