Geschichte(n) rund um den Karpfen – mainkarpfen.de –
Im Anschluss an das Buch von den Steinen, behandelt Hildegard von Bingen (1098 – 1179) in ihrem vierten (fünften) Buch die Fische und darin auch den Karpfen.
Der Karpfen
Der carpo (<Karpfen>) ist mehr warm als kalt und liebt den Tag mehr als die Nacht. Er hat die Wärme der Moorseen in sich und hat von den Moorseen weiches und wenig nahrhaftes Fleisch. In ihnen sucht er seine Nahrung und hält sich gerne im Schaum der Gewässer auf.
Der Verzehr seines Fleisches schadet dem gesunden Menschen nicht, schädigt aber den kranken ziemlich. Wer gesund ist, kann dessen Milch und Rogim (<Rogen>) essen, der Kranke aber sollte die nicht essen.
Zuweilen jedoch schwimmt der Fisch in die reinen Wasserschichten und bachelt (<wärmt>) sich in ihnen. Dann nährt er sich auch von reinen Speisen und nimmt dort den Saft einer bestimmten Erde in sich auf und frisst dort bestimmte Kräuter, von denen er seine Fruchtbarkeit empfängt. Wann diese Zeit gekommen ist, dass die leychent, so sucht das Weibchen gallende steyn (<reine Felsen>) auf und leychet dort einmal, wobei das Männchen hinterher schwimmt. Dort ruhen sie sich aus, wenn sie nicht vertrieben werden, bis das Gelaiche zu atmen beginnt, so wie es andere Fische auch machen.
Und ein Mensch, der fiber (<Fieber>) hat, so dass das Essen ihm widersteht und jede Speise ihn anekelt, der koche diesen Fisch, trenne seine Kopf ab, teile ihn in der Mitte durch und roste (<röste>) ihn an einem Spieß über dem Feuer. Sodann lege er ihn in Wein, füge diesem ein Drittel Essig hinzu und übergieße das Ganze mit etwas Honig. So zubereitet soll er oft von ihm essen; dann wird sein fiber aufhören und er wird seinen Widerwillen gegen das Essen ablegen. Die übrigen Teile des Fisches taugen aber nicht viel zu Heilzwecken.
Auszug aus: „Das Buch von den Fischen“, Hildegard von Bingen, übersetzt und erläutert von Peter Riehte.
Otto Müller Verlag, Salzburg 1991
ISBN: 3-7013-0812-8