Qualitätsveränderungen bei Süßwasserfischen -1948-

Beurteilung von Qualitätsveränderungen bei Süßwasserfischen
Aus: „Die Fischwaid“ Mai 1948
Es ist bekannt, dass die Muskulatur der toten Fische einer rascheren Zersetzung unterliegt, als das Fleisch von Warmblütern. Für Seefische besitzen wir einige brauchbare Methoden, die es uns ermöglichen, die Qualität der auf den Markt gebrachten Fische einigermaßen objektiv zu beurteilen. Es hat sich als notwendig erwiesen, auch für Süßwasserfische nachzuprüfen, ob mit der gleiche Methode wie bei den Seefischen Gütebestimmungen durchzuführen sind und ob überhaupt der Verlauf der Qualitätsveränderungen bei Süßwasserfischen dem Verlauf der Qualitätsveränderungen bei Seefischen ähnlich ist.
In der Reichsanstalt für Fischerei in Berlin-Friedrichshagen wurde eine Methode entwickelt, die für Plötzen und Rotfedern recht genau das Einsetzen der Zersetzung bestimmen lässt. Diese Methode beruht darauf, dass die Anreicherung des Schwefelwasserstoffgehaltes im Fischfleisch gemessen wird. Je mehr Schwefelwasserstoff in der Muskulatur vorhanden ist, umso mehr Eiweiß ist abgebaut worden, umso weiter ist also die Zersetzung fortgeschritten. Mit dieser Bestimmung wurde eine Stufenreihe mit verschieden stark gefärbtem Bleisulfidpapier aufgestellt, die es ermöglicht, den Zersetzungsgrad hinreichend genau zu bestimmen, um damit den Einfluss der Ernährung, des Alters, der Größe, des Geschlechtes und des Reifegrades auf die Zersetzungsvorgänge prüfen können.
Die Zersetzung der Fischmuskulatur beruht auf der Tätigkeit von Bakterien und Fermenten, die die Eiweißstoffe, aus denen die Muskulatur sich zusammensetzt, abbauen. Die Zahl der Bakterien ist nun nicht in allen Teilen des Körpers gleich groß. Sie ist am größten im Darm und in der Umgebung des Darmes. Sie ist auch an der Haut, weil dort dauernd von außen her Bakterien eindringen können.
Es ist nun besonders norwegischen Fischern schon früh aufgefallen, dass die Heringe, die sie gefangen hatten und auf den Markt brachten, verschieden schnell schlecht wurden. Sie stellten dann fest, dass die verschieden schnell schlecht wurden. Sie stellten dann fest, dass die verschiedene Geschwindigkeit, mit der die Zersetzung voranschritt, von dem Darminhalt der Heringe abhängig war. Besonders schnell wurden Heringe schlecht, die Mollusken gefressen hatten. Sie wurden deshalb nach dem Fang erst solange durch Netze abgeschlossen im Wasser gehalten, bis sie ihren Darminhalt abgegeben hatten. Die Zersetzung verlief dann auch bei diesen Heringen langsam genug, dass sie in frischerem Zustand an den Verbraucher gelangen konnten als die Fische mit gefülltem Darmkanal. Es ist also eine für die Praxis wichtige Aufgabe, festzustellen, in welcher Weise die Ernährung einen Einfluß auch auf die Zersetzungsvorgänge bei Süßwasserfischen ausübt.
Bei den Plötzen, bei denen dieser Einfluß untersucht worden ist, kann unterschieden werden zwischen Pflanzenfressern, Molluskenfressern und Konsumenten von Wasserinsekten und Luftnahrung. Im Gegensatz dazu enthält der Darm von Rotfedern, bei denen die Fäulnisvorgänge in gleicher Weise wie bei den Plötzen verlaufen, ausschließlich Reste von pflanzlicher Nahrung. Es lässt sich also bei diesen beiden Arten gut der Einfluss der Ernährung auf die Zersetzungsvorgänge vergleichend untersuchen, weil die Plötzen aus gleichen Gewässern häufig unterschiedlicher Darminhalt zu erwarten ist, während die verwandte Rotfeder immer als Pflanzenfresser auftritt.
Es hat sich herausgestellt, dass im allgemeinen die Plötzen, in deren Darm Reste von Molluskennahrung zu finden sind, zu einem sehr frühen Zeitpunkt einen hohen Grad der Zersetzung erreichen. Im Gegensatz dazu steigt der Gehalt an Schwefelwasserstoff in der Muskulatur von Pflanzenfressern erst spät, dann aber sehr rasch an. Plötzen, die Rest von Insekten in ihrem Darm haben, werden fast so rasch schlecht wie die Molluskenfresser. Am längsten halten sich Plötzen mit leerem Darm frisch, womit bewiesen ist, dass auch bei Süßwasserfischen eine kurze Hälterung nach dem Fang, während welcher die Fische ihren Darminhalt abgeben, die Geschwindigkeit der Zersetzungsvorgänge herabsetzen kann, wie es vorher von den Heringen erwähnt wurde.
Außer von dem Darminhalt hängt die Zersetzungsgeschwindigkeit der Süßwasserfische noch von einigen anderen Einflüssen ab, die z.T. so stark sein können, dass sie den Einfluß, der durch die unterschiedliche Ernährung hervorgerufen wird, überdecken können. Hauptsächlich ist hier die Größe der Fische zu nennen. Kleine Fische verderben unter sonst gleichen Bedingungen immer viel schneller als größere. Das Geschlecht beeinflusst den Zersetzungsverlauf ebenfalls. Bei den weiblichen Fischen setzt die Fäulnis später ein, steigt aber dann rascher an als bei männlichen Fischen.
Bei den Fischen reifen im Laufe eines Jahres allmählich die Geschlechtsprodukte. Wir sprechen von verschiedenen Reifegraden. Auch diese verändern den Verlauf der Zersetzung. Besonders stark macht sich das bemerkbar bei Fischen, die gerade abgelaicht haben, wenn sie mit anderen verglichen werden, die ihre Geschlechtsprodukte noch nicht abgegeben haben. Fische, die abgelaicht haben, werden dabei schneller schlecht als laichreife.
Es wurden dann noch Versuche an Karpfen ausgeführt, die für die Dauer eines Vierteljahres mit der gleichen Nahrung, und zwar ein Teil mit Regenwürmern und ein Teil mit Lupine, gefüttert worden waren. Bei der Untersuchung auf den Gehalt an Schwefelwasserstoff in der Muskulatur der in Zersetzung befindlichen Karpfen zeigte sich zunächst, dass bei Karpfen diese Methode nicht so bedenkenlos angewandt werden kann. Es treten hier zu Anfang der Zersetzung häufig hohe Werte der Stufenreihe auf, die dann absinken, um nun einen normalen Verlauf der Fäulnis zu zeigen. Sonst veränderte auch bei Karpfen der Einfluß der Ernährung den Verlauf der Zersetzung in der gleichen Weise, wie es vorher bei Plötzen beschrieben worden ist, nämlich so, dass auch hier die Pflanzenfresser langsamer verderben, als die Tierfresser. Werden die Fische ausgenommen, so zeigt sich der Einfluß der Ernährung auch, nur viel weniger ausgeprägt. Die Unterschiede zwischen Kleintier- und Pflanzenfressern sind dann ziemlich bedeutungslos. Daraus ist ersichtlich, dass der Haupteinfluß der Ernährung von dem während der Lagerung vorhandenen Darminhalt der Fische abhängt.
Dr. Gisela Sander

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