Was der Sportsangler von den Fischen wissen muss! -1922 –
Quelle: „Lehrmeister-Bücherei“ von Dr. K. Lory 1922
Wenn der Angelsport sich heben soll, so ist das nur möglich, indem seine Anhänger sich sozusagen wissenschaftlich auch mit dem „Wasserwild“ beschäftigen, seine physiologischen Eigenschaften, seine Lebensgewohnheiten und dergleichen sorgfältig studieren und daraufhin ihre Methode vervollkommnen. Ein gewisses Mindestmaß derartiger Kenntnisse ist die unbedingte Voraussetzung zu jedem Erfolg.
Der Angelnde muss natürlich in erster Linie wissen, welche Fische er in seinem Gewässer voraussetzen darf und welche Angelmethoden für sie in Betracht kommen; darüber wird noch zu handeln sein. Doch sind allen Fischen gewisse Eigenschaften und Eigentümlichkeiten gemeinsam, die der Fischer ebenfalls kennen muss.
Die bildende Kunst hat den Fisch gelegentlich als Symbol der „Dummheit“ verwendet, aber sehr mit Unrecht. Auch der Fisch ist belehrbar, und zwar unter Umständen zum Nachteil des Fischenden, der genötigt ist, oft zu neuen Ködern und immer durchtriebeneren Angelmethoden zu greifen, wenn die Erfahrung die Bewohner eines Gewässers erst einmal scheu und vorsichtig gemacht hat. Denn die erste Bedingung zum Erfolg beim Angeln ist die, dass die Fische „beißen“, d.h. auf den dargebotenen Köder gehen. Die Lust dazu ist nicht immer gleich groß; sie ist naturgemäß geringer, wenn das Gewässer reichlich Nahrung bietet; sie verschwindet oft plötzlich unter dem Eindruck eines Witterungsumschwunges, wie denn Nord- und Westwind ganz allgemein und auch mit Recht (namentlich bei klarem Himmel) als ganz und gar ungünstig gelten. Doch habe ich mir die Fälle notiert, wo ich gerade bei aufheiterndem leichten Nordost treffliche Erfolge erzielte. Extreme Temperaturverhältnisse gewähren ebenfalls wenig Aussicht und sind auch die Temperaturgrade bei den einzelnen Fischgattungen verschieden, so ist es doch allen gemeinsam, dass sie bei größerer Hitze und größerer Kälte in eine Art Lethargie verfallen. Damit hängt es auch zusammen, dass in der wärmeren Jahreszeit die Morgen- und Abendstunden, in der kälteren die Mittagszeit für den Angler vorzugsweise in Betracht kommt. Sonst aber lassen sich Regeln nach dieser Seite hin kaum als allgemeingültig bezeichnen; sehr häufig hört man z.B. die Ansicht, dass das herannahen eines Witterungsumschlages (etwa rasches heranziehen eines Gewitters) ungünstig seien, und doch beißen die Fische unter solchen Umständen manchmal wie rasend. Langsam eintretende Trübung erwies sich dagegen nach meinen Aufzeichnungen meist als sehr ungünstig.
Es sind das Eigentümlichkeiten der Fische, deren Ursache keineswegs immer einleuchtet, eben so wenig wie man sich erklären kann, dass der größere Fisch auf dem trockenen Lande in der Regel schnell den nächsten Weg ins Wasser findet. Aber eine ganze Reihe von Umständen, die der Angler beachten muss, versteht man ohne weiteres aus der Beschaffenheit bzw. den Gewohnheiten der Fische.
Was die Sinne der Fische betrifft, so ist wohl bei ihm von Gehör in der üblichen Bedeutung des Wortes kaum die Rede, dagegen scheinen die Fische einen Sinn zu besitzen, der uns abgeht, nämlich ein Organ, um Druckschwankungen des Wassers zu empfinden, woraus es sich erklärt, dass man am Wasser reden, ja schreien kann, soviel man Luft hat, während ein Tritt, der das Ufer erschüttert, die Fische scheu macht. Die meisten Fische sind auch gegen Berührungen außerordentlich empfindlich, sie antworten darauf auf wildes Schlagen, was das Landen eines gefangenen Fisches sehr erschweren kann. Den Geruchssinn der Fische scheint man beinahe zu unterschätzen, jedenfalls bestätigt sich die Erfahrung, dass manche Gerüche, die durch Berufsarbeit und dergleichen der Hand es Fischers mitgeteilt haben, den Erfolg beim Angeln beeinträchtigen können. Der Geschmackssinn spielt wohl kaum eine Rolle (bei Wassertieren ja eigentlich selbstverständlich), das Maul (die Lippen usw.) erscheint eher als Organ des Tastsinnes, womit der Fisch den Köder auf seine Brauchbarkeit hin untersucht. Wichtig ist vor allem die Beschaffenheit des Fischauges. Ganz allgemein gilt ja als oberstes Gesetz beim Fischen, sich nicht sehen zu lassen, vor allem darf niemals der Schatten des Anglers oder seiner Gerte ins Wasser fallen. Stets verscheuchen auch unvorsichtige Bewegungen die Bewohner der Tiefe. Trotzdem kann man die Fische kurzsichtig nennen; sie sehen nur in der Nähe gut. Was sie reizt, ist mit Einschränkungen in vielen Fällen die Farbe. Ganz abgesehen davon, dass z.B. eine Vorliebe für Rot bei manchen Raubfischen (wie beim Hecht) nicht abzuleugnen ist, man wird auch häufig die Beobachtung machen können, dass ein Fisch auf ein Blatt und dergleichen losfährt, das in der Farbe einen vorher von ihm verschluckten Bissen gleicht. „Beißt“ er gierig, so schnappt er danach, um das als ungenießbar Erkannt sofort wieder auszuspeien; oft aber hält ein Fisch auch unmittelbar vor dem Gegenstand, der ihn angelockt hat, still und beschaut sich ihn in der Nähe, denn in der Nähe sieht das Fischauge eben scharf. Daraus ergibt sich auch das Verhalten des Fisches einem Köder gegenüber; er wird einen künstlichen nur dann nehmen, wenn man durch geschickte Bewegung seine Beißlust derartig reizt, dass er darauf vergisst, ihn sich vorher anzusehen.
Gering ist die Beißlust der Fische auch um die Zeit des Laichgeschäftes, während desselben hört sie teilweise ganz auf. Bekanntlich ist ja das Fleisch der meisten Fischarten während der Laichzeit auch minderwertig, das Fangen und Verzehren der Fische in dieser Periode ist nicht nur eine schlimme Geschmacklosigkeit, sondern auch im höchsten Grade unwirtschaftlich und unklug. Leider ist es bei uns in Deutschland immer noch üblich, während der winterlichen Geselligkeitssaison abgemagerte, unschmackhafte Forellen aufzutischen, Fische, wie sie in England niemand anrühren würde. Etwas anderes ist es mit dem Lachs, der ja nur zum Zweck des Laichens in die Süßwasserregion aufsteigt. Der vernünftige Fischer wird aber den gefangenen Lachsen den Laich abstreifen*) und sie erst dann töten.
*) Durch Streifen längs der Bauchseite des Fisches tritt der Laich aus dem Waidloch aus; man sammelt Milch und Rogen in einem Gefäß mit Wasser und verrührt beides durcheinander. Die Eier werden dann befruchtet und können ohne weiteres zur Zucht verwendet werden.
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