Mit Pferdehaar und Seidendarm
Auch unsere Urgroßväter hatten ihre kleinen Geheimnisse
Wer heutzutage die Fachzeitschriften liest und Kataloge durchblättert, kann sich mitunter des Eindruckes nicht erwehren, dass das Angeln mehr und mehr zu einer reinen Materialschlacht geworden ist. Längst haben wir uns gewöhnt an Ruten aus den raffiniertesten Materialien, an Schnüre von extremer Dünner und Festigkeit und viele andere mehr oder weniger nützliche Utensilien, die die Ausübung dieses schönen Sports erleichtern. Aber vergessen wir nicht: Der Angelsport kann auf eine lange Geschichte zurückblicken, seine Anfänge reichen in eine Zeit, in der an Nylonschnüre und Kohlefaserruten noch lange nicht zu denken war. Und dennoch gab es Petrijünger, die diesem Hobby mit Leidenschaft und Ausdauer frönten.
Fragen wir uns einmal, wie die Ausrüstung eines Anglers etwa um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ausgesehen haben mag. Wichtigstes Utensil war damals wie heute die Angelrute, und da es Anglershops noch nicht gab und das Geld relativ knapp war, musste diese in Eigenarbeit angefertigt werden. Der königlich-preußische Hauptmann Baron von Ehrenkreutz gibt in seinem anschaulichen Buch „Angelfischerei“ aus dem Jahre 1869 eine genaue Arbeitsanweisung.
„Man verschaffe sich eine Stange von geradem Wuchse, von etwa 12 Fuß Länge, wozu eine junge Tanne oder Fichte, die im Dickicht steht und dem Eingehen nahe ist, sich am besten passt“, so empfiehlt der Baron. „Eine dieser Stangen lässt man recht austrocknen, macht sie so dünn, als es ohne ihrer Stärke zu schaden möglich ist, damit sie leicht in der Hand liege, und reibt sie mit heißem Leinöl und wollenen Lappen schnell und stark, damit sie stärker und zäher werde. Man zerschneidet sie nun in drei gleich Theile, so dass jedes Stück 4 Fuß Länge hat. Von einem Blechschläger lässt man sich nun drei, etwa 8 bis 9 Zoll lange Tüllen machen, in welche diese einzelnen Stücke sehr genau und fest passen müssen, so dass, wenn sie zusammen gesteckt sind, sie wieder einen geraden, nicht in einzelnen Theilen wackelnden Stock bilden“.
Gekrönt wurde dieser Stock mit einem sog. Oberstück. „Zu diesem wählt man entweder einen geraden Schoß von einem Dorn, Wacholder oder Hasel und dergleichen, versieht die Spitze mit einer Öse aus Messingdraht und befestigt die Schenkel der Öse entweder mit starker gepichter Seide oder feinem geglühten Draht recht fest an das Holz“.
Eine Rolle war dem Baron zwar schon bekannt, sie wurde von ihm jedoch noch nicht für unbedingt erforderlich gehalten.
„… und schraubt in das Handstück in etwa 1 ½ bis 2 Fuß Entfernung voneinander, zwei Holzschrauben mit messingenen Knöpfen, wie sie die Tischler bei Schubladen anzubringen pflegen, so dass bloß die Knöpfe vorstehen. Diese Schrauben ersetzen zu Noth die zwar zweckmäßigere, aber auch theure Rolle“.
Noch weit problematischer war es für die Angler jener Zeit, geeignete Angelschnüre zu beschaffen. Materialien waren Seide, Pferdehaare oder Hanf. Auch hier musste Baron von Ehrenkreutz Rat: „Will man die Schnüre selbst machen, so wähle man dazu Pferdehaare, weil sie im Wasser sehr lange ausdauern, dagegen aber auch, wenn sie trocken liegen, leicht von Spinnen zernagt werden. Die weißen, noch besser aber die fuchsfarbenen und braunen Haare aus dem Schweife der Hengste und Wallache sind allein dazu gebrauchen, weil die von den Stuten durch den Urin morsch werden und darum zu schwach sind“.
Schließlich wurde das Vorfach in der Regel ebenfalls aus Pferdehaaren geflochten, je nach Verhältnissen wurden hierzu ein bis zehn Haare verwendet. Unübertroffen für die damalige Zeit war zu diesem Zweck allerdings das sog. „englisch Gras“, auch Seidendarm genannt. Eine Seidenraupe wurde 24 Stunden in starken Weinessig gelegt, dann herausgenommen und vorsichtig zerrissen.
„… wo man denn in ihrem Leibe eine mit gelbem Schleime überzogene Masse findet, die früher zu ihrem Einspinnen von der Natur bestimmt war. Diese Masse ist elastisch, wird vorsichtig auseinander gezogen und auf ein Brettchen gespannt. Die gelbe schleimige Materie bleibt während des Ausspannens an den Fingern haften und der reine silberweiße Faden kommt zum Vorschein“.
Es war alles gar nicht so leicht in der guten alten Zeit, und kurioserweise sah man selbst in diesem harmlosen Hobby eine gewisse Gefährdung der Sitten. In seinem Vorwort weist der Autor denn auch vorsorglich auf folgendes hin:
„Junge Leute, welche noch die Schule besuchen oder in Verhältnissen bereits stehen, sollten von dieser Liebhaberei, die sie zu sehr zerstreuen und dem ernsteren Zwecke des Lebens sehr entrückt, mit Ernst abgehalten werden, denn sie wird bei nur einigem Erfolg zur außerordentlichen Leidenschaft. Das Sprichwort hat daher viel Wahres:
Fische fangen und Vogelstellen verdarb schon manchen Junggesellen“