Brassen – mit der Schwingspitze

Brassen –mit der „Schwingspitze“

Man sieht sie –jedenfalls bei uns hier- selten, obwohl sie gut funktioniert und die Bisse sehr deutlich anzeigt: Die Schwingspitze.

Mitte der 50er-Jahre hatte Jack Clayton, ein Angler aus England, eine Idee. Er bastelte daran, eine Verlängerung seiner Rute zu bauen, die diese feinfühliger machen sollte. Er wollte mit dieser Verlängerung die Ergebnisse beim Friedfischangeln mit dem Grundblei verbessern, und die in erster Linie, wenn ungünstige Windverhältnisse das Angeln mit der Pose fast unmöglich machten. Die Verlängerung der Rutenspitze sollte zum einen die Bisse deutlicher machen und zum anderen dem anbeißenden Fisch weniger Widerstand entgegensetzen. Nach einigen Experimenten gelang es ihm eine Spitze herzustellen, die innerhalb des nächsten Jahrzehntes die Angelei in England grundlegend veränderte. Das Fischen mit der Schwingspitze erwies sich für den Brassenfang als unübertrefflich. Diese Methode war weitaus wirkungsvoller, als sich Jack Clayton je erträumt hätte. Die Schwingspitze macht Bisse von solcher Behutsamkeit erkennbar, wie es keine andere Angelart ermöglicht.  Da die Fische beim Anbiss keinerlei Widerstand verspüren, fassen sie energisch und völlig ohne Misstrauen zu, und die Zahl der Fehlbisse ist daher sehr gering. Handelsübliche Schwingspitzen sind über ein Stück Silikonschlauch mit einem Schraubgewinde verbunden und werden in eigens für diesen Zweck entwickelte Spitzenringe mit Schraubgewinde verbunden. Solche Spitzenringe sind im Fachhandel erhältlich und so kann eigentlich jede Rute für das Schwingspitzenangeln umgebaut werden. Je länger eine Schwingspitze ist, desto deutlicher kann sie Bisse anzeigen. Normale Längen für Schwingspitzen liegen zwischen 20 und 25 Zentimeter. Es gibt aber auch welche die über 30 cm lang sind, hier gibt es aber manchmal Probleme beim auswerfen. Die am meisten verwendete Rutenlänge zum Schwingspitzenangeln liegt bei ca. 3 m. Als Rolle eignet sich am allerbesten eine Stationärrolle, da eine genaueste Einstellung der Schnurspannung sehr wichtig ist.

Die Montage von Blei und Haken beim Fischen mit der Schwingspitze ist einfach. Die Hakengröße hängt vom Köder ab und kann deshalb zwischen Größe 22 und Größe 4 schwanken. Etwa einen Meter vor dem Haken wird das Grundblei an einer kurzen Seitenschnur von ca. 20 cm Länge befestigt. Entscheidend für das Bleigewicht ist erst einmal die Wurfweite, die erzielt werden soll. Weitere Faktoren, die das Gewicht bestimmen, sind Stärke und Richtung des Windes. Die Spitze arbeitet umso besser, je leichter das Grundblei ist. Manchmal sind 15 Gramm zu viel, während 10 Gramm eine perfekte Funktion der Schwingspitze ermöglichen. Um die Schnur straff zu halten, muss der Wurf gebremst werden, kurz bevor das Blei ins Wasser fällt. Stoppt man zu früh, wird das Blei jäh zurückgerissen, und das kann zu Verwicklungen der Schnur führen. Während das Blei absinkt, streckt sich die Schwingspitze, bis das Blei aufliegt. Dann pendelt sie bis zu einem rechten Winkel zur Rute zurück. Noch ehe das passiert, sollte der Angler die Rute auf den Rutenhalter gelegt haben und sogleich langsam Schnur aufnehmen. In den ersten Sekunden nach dem Auftreffen des Bleies auf den Boden erschlafft nämlich die Schnur zwischen Rute und Blei. Der Angler muss nun die Schnur gerade so schnell einkurbeln, dass die Spitze nicht bis auf 90° zurückschwingt.

Während er das tut, sollte er auf zwei Dinge achten: Darauf, dass die Schwingspitze stehen bleibt, was ihm anzeigt, dass sein Gerät ausgewogen und bereit ist für den ersten Biss. Oder darauf, dass die Schwingspitze sich nach vorn bewegt – das ist dann schon der erste Biss. Im stehenden Gewässer zeigt sich der Biss dadurch, dass die Schwingspitze fast immer nach vorn gezogen wird. Aber nicht bei allen Bissen ziehen die Fische die Schnur nach vorn. Ein Fisch, der das Blei anhebt, lässt die Schwingspitze zurückfallen. Um auch diese Bisse zu erkennen, muss der Winkel zwischen Schwingspitze und Rute einfach größer sein als 90°.

Die Länge des Vorfachs, also der Schnur zwischen Haken und Seitenzweig, muss je nach dem Verhalten der Fische verändert werden, genauso wie Posenangler ihre Bebleiung variieren müssen, um die Bisse nicht nur zu erkennen, sondern auch zu haken. Wann muss der Abstand zwischen Blei und Haken verändert werden? Irgendwas stimmt nicht, wenn wir an unseren Würmern oder Maden Spuren eines Bisses feststellen, den die Schwingspitze nicht angezeigt hat. Schuld daran ist normalerweise ein zu großer Abstand zwischen Blei und Haken. Also muss der Angler das Seitenblei nach und nach verschieben, bis er die Bisse bemerkt und rechtzeitig anschlagen kann. Das Vorfach mag schließlich nur noch einen halben Meter lang sein oder in Extremfällen sogar noch kürzer. Ausgangspunkt ist aber immer ein Abstand von einem Meter. Um überhaupt Bisse zu erhalten, kann es nötig sein, das Seitenblei zu verschieben. Dafür vergrößert man den Abstand zwischen Haken und Blei nach und nach. Bis zu drei Metern können wir dabei gehen, und es ist verblüffend, wie oft ein langes Vorfach mit kleinen Ködern auf winzigen Haken oder auch mit großen Brotflocken auf entsprechendem Haken zum Erflog verhilft. Die Fische ignorieren häufig alle Köder, die zu schnell sinken, nehmen aber sehr wohl Köder, die langsam „herabsegeln“. Je kürzer das Vorfach, desto schneller reagiert die Bissanzeige. Die Spitze hebt sich schneller, aber es kommt auch häufiger vor, dass sie in die andere Richtung, zum Angler hin, ausschlägt. Das passiert auch schon mal bei einem Vorfach von einem Meter, nämlich dann, wenn ein Fisch den Köder aufnimmt und auf den Angler zuschwimmt.  Bei einem verkürzten Abstand zwischen Haken und Blei aber steigt der Prozentsatz der Fische, die beim Biss das Blei anheben, und das lässt die Spitze zurückfallen, weil die Schnurspannung zwischen Rute und Blei sich verringert. „Fallbisse“ dieser Art sind schwieriger anzuschlagen, da der Fisch im Augenblick der Bissanzeige bereits den Widerstand des Bleigewichtes gespürt hat und vielfach darauf reagiert, indem er den Köder schleunigst wieder loslässt.

Die Ergebnisse beim Schwingspitzenangeln sind oft noch besser, wenn man den Köder bewegt. Dies erfordert Eigeninitiative des Anglers, denn es gibt –in Seen-ja keine Strömung, die den Köder auf natürliche Weise weiterträgt. Den Köder zu bewegen, ist aber beim Schwingspitzenfischen gar nicht so einfach. Die richtige Technik sieht so aus: Zuerst wird in der üblichen Weise ausgeworfen und die Schnur gestrafft. Dann, nach einer kurzen Pause, beginnen wir ganz vorsichtig mit dem Zupfen. Die Fische sollen schließlich angelockt und nicht verjagt werden. Der Angler hebt also die Rute etwa 15 cm vom Rutenhalter ab und zieht sie gleichzeitig um ca. 30 cm schräg zur Seite. Dabei bewegt sich die Schwingspitze zwar, aber sie bleibt immer in einer solchen Stellung, dass sie Bisse anzeigt, die während der Bewegung erfolgen. Wenn nun die Rute wieder vorsichtig auf die Ablage zurück gelegt wird, muss man die dabei erschlaffende Schnur so schnell wieder einkurbeln, dass die Schwingspitze dabei „gestrafft“ bleibt. Bisse während des „Zupfens“ sind eigentlich nie zaghaft und leicht zu erkennen. Die eine Sorte Bisse erfolgt gleich zu Beginn des Schwenks, und das sind möglicherweise die Fische, die schon dabei waren, den Köder abzutasten. Es ist geradezu so, als ob der Fisch die „Zupfbewegungen“ verhindern wollte. Bei einem derartigen „Tauziehen“ zwischen Angler und Fisch ist der Biss daran erkennbar, dass die Schwingspitze nicht wieder an ihren Ausgangspunkt zurückkehrt. Sie streckt sich immer weiter, als ob sich die Schnur am Grund verhakt hätte. Häufiger ist beim Zupfen ein zweiter Typ von Bissen, wenn ein Fisch, der den Köder misstrauisch betrachtet, sich plötzlich zum Biss entschließt, weil durch die Bewegung sein Fressreiz ausgelöst wird. Bei Fischen, die so reagieren, werden wir immer eine positive Bissanzeige erhalten. Der Anbiss erfolgt meist dann, wenn die Rute auf den Halter zurück gelegt wird. Wahrscheinlich folgt der Fisch dem Köder während der ganzen Bewegung und schnapp in diesem Augenblick zu, wenn die Bewegung endet.

Ausführlicher wird das „Schwingspitzenfischen“, und alles was damit zu tun hat, in einem Bericht von Colin Graham im BLINKER – Sonderheft „BRASSEN“ (Heft 19), beschrieben.

 

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