Anfüttern auf Karpfen -1987-

Anfüttern auf Karpfen -1987-

DER BOILIE. 1987 in Deutschland ein noch „neuer“ Köder. Was gab´s damals darüber so zu berichten?

Über das Anfüttern mit den neuen Ködern (Boilies) hat man verschiedene Theorien, und es bestehen zugleich Missverständnisse. Es ist also wichtig, diesen Theorien einige Aufmerksamkeit zu widmen. Das Füttern der Karpfen kann im Grunde eingeteilt werden in:

         Das Anlegen eines Futterplatzes im Voraus, und

         Das Anfüttern während des Fischens.

Der Aufbau eines Futterplatzes

Über die Notwendigkeit des Aufbaus eines Futterplatzes gibt es unterschiedliche Meinungen. Mancher Karpfenfischer betrachtet das Anlegen eines guten Futterplatzes als ein Haupterfordernis für gute Resultate und beweist seine Überzeugung mit oft enormen Fängen. Andere dagegen behaupten, dass Futterkampagnen wenig nützen und zeigen Resultate, die genauso beeindruckend sind. Wer hat nun recht?

Wenn Sie zum ersten Mal mit Boilies fischen, dann präsentieren Sie dem Karpfen einen Köder, der sich wesentlich von dem Köder, den Sie früher gebrauchten, unterscheidet. Statt weicher Teig- und Kartoffelbälle setzen Sie dem Karpfen jetzt nämlich steinharte kleine Murmeln vor. Wurde an dem betreffenden Gewässer schon vorher mit Boilies gefischt, dann wird es beim Gebrauch dieses Köders nicht allzu viele Probleme geben. Die Karpfen haben sich schon an den härteren Köder gewöhnt, und die Härte wird den Fisch nicht mehr abschrecken. Wenn Sie aber der erste sind, der dort mit Boilies fischt, dann liegt die Sache ganz anders.

Vom Gewässertyp wird es nun abhängen, wie Sie handeln müssen. Der Karpfen ist im Winter nämlich vor allem auf natürliche Nahrung angewiesen. Besteht diese natürliche Nahrung hauptsächlich aus harten Schnecken und Muscheln, dann kennt der Karpfen von sich aus schon harte Nahrung, so dass die Boilies für ihn nichts völlig Neues sind.

Besteht das Menü der Karpfen aber vor allem aus weicher Nahrung, zum Beispiel in stark befischten Gewässern, wo noch nicht mit harten Ködern gefischt wurde, und wo das ins Wasser gestreute Futter (vor allem für den Weißfisch bestimmt) ein wichtiger Teil des Nahrungsangebotes ist, dann ist es meistens notwendig, die Karpfen mittels einer aufgebauten Futterkampagne an diese harten Köder gewöhnen. Es empfiehlt sich, während einiger Wochen jeden zweiten Tag an Ihrem Platz einige Boilies zu füttern. Wie viel Sie füttern, hängt völlig vom Wasser und von der Anzahl Karpfen, die ihr Wasser bevölkern, ab. In einem kleinen Pfuhl mit nur wenigen Fischen genügen meistens dreißig Boilies.

Befischen Sie aber ein großes Gewässer, und erwarten Sie in der Nähe regelmäßig Karpfen, dann sind hundert oder zweihundert Boilies bestimmt nicht übertrieben. Denken Sie daran, dass zweihundert Boilies von zwei bis drei Gramm eben so viel Nahrung bedeuten wie zehn Teigbälle von vierzig bis sechzig Gramm. Eine allgemeine Richtlinie kann man also kaum aufstellen.

Es ist wahrscheinlich, dass ein bestimmtes Boilie länger seine Fangkraft behält, wenn es erst eine Zeit gefüttert wurde, ohne dass damit gefischt worden ist. Nehmen Sie an, dass ein Karpfen zum ersten Mal Ihrem Boilie mit Erdbeergeruch begegnet. Der Fisch, der von sich aus neugierig ist, wird die Murmel untersuchen und dann vorsichtig kosten. Wenn sie ihm gefällt, wird er danach auch die anderen Boilies probieren, allerdings immer noch mit einigem Argwohn. Dieser Fisch könnte also gefangen werden, wenn eines dieser Boilies einen Haken enthalten würde. Der Karpfen rechnet aber mit Gefahr, da dieser Köder für ihn eine ganz neue Erfahrung ist.

Macht er nun bei der ersten Bekanntschaft mit dem Boilie gleich eine schlechte Erfahrung und wird gehakt, dann wird er in Zukunft Erdbeerboilies mit Gefahr in Verbindung bringen. Ist dieser Fisch aber Ihren Boilies über längere Zeit oder täglich begegnet, hat er, nachdem er sie am Anfang vorsichtig aufgenommen hat, jetzt allen Argwohn verloren und frisst ein Boilie nach dem anderen. Er erwartet keine Gefahr mehr. Wird der Fisch in dieser Phase gefangen, dann wird er diese unangenehme Erfahrung nicht sofort mit Ihren Boilies in Verbindung bringen. Die hat er ja schon längere Zeit ohne unerfreuliche Folgen gefressen. Es besteht die Chance, dass dieser Fisch ein zweites Mal wieder von Ihren Boilies fressen wird und noch einmal gefangen werden kann, bevor er bei Boilies an Gefahr denkt.

Da eine Futterkampagne den Sinn haben soll, den Fisch an den Köder zu gewöhnen, ist es auch möglich, mit Hilfe des Fütterns den Fisch dazu zu bringen, einen bestimmten Platz – Ihren Futterplatz also – regelmäßig zu besuchen. Das Futter dient dann dazu, den Fisch an einen bestimmten Platz zu binden, so dass sich dort wahrscheinlich Karpfen aufhalten, wenn Sie fischen möchten. Auch diese Überlegung kann Sie dazu bringen, ein paar Tage lang vor Ihrem Angeltag einen Futterplatz aufzubauen. Diese Auffassung hat also nichts zu tun mit der Gewöhnung an den Köder und auch nichts mit der Härte oder dem Geruch. Auch mit Kartoffeln konnte man ja zunächst ein paar Tage füttern, um den Fisch an den gewünschten Platz zu locken. Man beabsichtigte damit auch nicht, die Fische an den Köder zu gewöhnen, denn Kartoffeln fraßen sie ja schon. Mit Boilies kann man auch so verfahren.

An den meisten Gewässern wurde schon mit Boilies gefischt, so dass auch Sie ohne vorhergehendes Anfüttern erfolgreich fischen können. Möchten Sie aber doch erst ein paar Tage oder Wochen im Voraus füttern, rechnen Sie dann bei kleineren Gewässern mit dem Umstand, dass möglicherweise auch andere Karpfenfischer einen Futterplatz unterhalten. Nehmen wir an, dass Ihrem Gefühl nach hundert Boilies pro Abend für die vorhandenen Karpfen genügen. Wenn es noch zwei Karpfenfischer gibt, die es zufälligerweise auf die gleichen Karpfen abgesehen haben und auch jeden Abend hundert Boilies streuen, dann könnte das des Guten zu viel sein. Die Folge wäre, dass Sie möglicherweise nichts fangen und die anderen Fischer auch nicht.

Eine andere Theorie, über die jedoch verschiedene Auffassungen bestehen, ist die des sogenannten „Pyramiden-Aufbaus“. Wenn Sie die Härte des Köders beeinflussen, können Sie bis zu einem gewissen Grad schon selektiv fischen. „Je  härter der Köder, desto größer der Fisch“. Dies ist keine feste Regel, wird jedoch in der Praxis oft bestätigt, da bei einem kleinen Karpfen das Maul noch sehr klein ist und die Schlundzähne sich noch nicht so weit entwickelt haben, um in der Lage zu sein, harte Boilies zu knacken. Dass mit steinharten Boilies auch einmal kleinere Exemplare gefangen werden, kommt daher, dass diese kleinen Fische mit dem Köder spielen, ohne dass sie ihn zwischen den Schlundzähnen knacken. Sie ergreifen ihn, schwimmen ein paar Meter weg und spucken ihn wieder aus. Wenn ein solch Kleiner das Boilie am Haken ergreift, kann er sich, vor allem bei einem kurzen Haar, auch selbst haken. Wenn Sie nun steinharte Boilies wochenlang füttern, bevor Sie wirklich fischen, haben Sie eine echte Chance, dass durch den „Pyramiden-Effekt“ nur wenige kapitale Fische am Futterplatz übriggeblieben sind. Natürlich macht diese Taktik nur in einem Gewässer Sinn, von dem Sie ganz sicher wissen, dass kapitale Fische vorhanden sind.

Was ist mit dem „Pyramiden-Aufbau“ gemeint? Eine Pyramide hat eine breite Basis und eine Spitze. Wenn Sie gerade mit dem Anlegen eines Futterplatzes angefangen haben, können Sie die Situation mit der Basis einer Pyramide vergleichen: Am Futterplatz sind viele Karpfen, wobei vor allem die kleineren Exemplare überwiegen. Wenn Sie aber längere Zeit füttern, wird sich die Situation ändern. Die hochwertige Nahrung wird von den Karpfen dankbar angenommen. Wenn nicht sofort gefischt wird, schenken die Karpfen diesen harten Kügelchen ihr Vertrauen. Der Argwohn nimmt jeden Tag weiter ab. Immer mehr Karpfen werden den Weg zu dieser kostenlosen und schmackhaften Bewirtung finden. So viele, dass die größeren Karpfen die Konkurrenz der kleineren Exemplare nicht länger vertragen und diese verjagen. Es entsteht also eine andere Situation. Sie nähern sich der Spitze der Pyramide: Weniger aber größere Karpfen. Sie fischen noch immer nicht, aber Sie füttern hartnäckig weiter. Noch größere Karpfen entdecken den Futterplatz und werden jedesmal die kleineren vertreiben. Erst wenn die Spitze der Pyramide erreicht ist, werden Sie mit weichen Knien das erste Boilie an einem Haken ins Wasser lassen.

Wählen Sie Ihren Platz sorgfältig und sorgen Sie vor allem dafür, dass Sie ungesehen füttern, so dass andere Karpfenfischer den „Pyramiden-Effekt“ nicht stören, und dort früher als Sie fischen! Nichts hindert Sie natürlich, auf diese Weise zwei oder mehr „Pyramiden-Plätze“ zu unterhalten.     

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