Was berichtete man im Jahre 1922 über Köder?

Was berichtete man im Jahre 1922 über „Köder“?
Quelle: „Lehrmeister-Bücherei“ –Angelsport- von Dr. K. Lory
Köder
Es gibt zahllose Angelköder, aber, vom Regenwurm abgesehen, keinen überall und allzeit zuverlässigen. Eine der wichtigsten Tatsachen für den Angelfischer ist die, dass die nämliche Fischgattung in zwei verschiedenen Gewässern unter Umständen absolut nicht auf den nämlichen Köder beißt. Man kann mit einem Köder in einem Fischwasser die glänzendsten Erfolge erzielen und in einem anderen keinen einzigen Biss erhalten. Dahinter steckt keineswegs eine Hexerei, sondern die Fische des einen Gewässers kennen z.B. den Köder gar nicht, an die sie in einem anderen Gewässer völlig gewöhnt sind. Damit soll aber ja nicht gesagt sein, dass nicht manchmal gerade der Reiz der Neuheit einen Fisch zum Anbiß reizen kann. Was folgt daraus für den praktischen Angler?
Er wird, wenn sich „nichts rührt“, mit seinem Köder wechseln; vom Gang der großen Raubfische abgesehen, kann er zuletzt immer noch zum Regenwurm greifen. Besser aber als bloßes Probieren ist auch hier ein systematisches Vorgehen. In vielen Fällen kann die Überlegung Rat schaffen; in er Nähe von Mühlen z.B. kann (aber nicht unbedingt) der sog. Mehlwurm sehr erfolgreich sein, übrigens kein sportmäßiger Köder. Noch besser ist es, man verlässt sich auf seine Augen: man untersucht den Rachen und Magen eines gefangenen Fisches; wenn man aber überhaupt noch nichts gefangen hat, sucht man die am Wasser stehenden Gräser, Büsche usw. nach Insekten ab – oft ist der Erfolg, in ganz verzweifelten Fällen, selbst, ein überraschender.
Natürlich ist eines nicht zu vergessen: der beste Köder ist unwirksam, hängt er schlecht oder verkehrt an der Angel. Die schönste Mücke z.B. hilft nichts, wenn sie wie ein unansehnliches Klümpchen Schlamm den Haken umgibt. Dadurch verbieten sich übrigens verschiedene sonst recht vorteilhafte Insektenköder von selbst und lassen die Nachahmung als sog. „künstliche Fliege“ unbedingt als empfehlenswert erscheinen. Der Wurm ferner muss so angeködert werden, dass er möglichst wenig verletzt wird; wie immer gehen hier Humanität und Vorteil Hand in Hand, denn je weiniger der Wurm verletzt wird, um so länger bleibt er am Leben und ein „besserer“ Fisch geht nur auf einen lebenden Wurm.
Der Regenwurm ist übrigens der einzige Köder, den der Sportangler lebend verwendet, weil er eben nicht anders kann; wer außer dem Regenwurm noch andere Tiere in lebendem Zustand an die Angel steckt, z.B. Mäuse oder Frösche, ist ein Rohling, aber kein Sportfischer!
Aus diesem Grunde ist ja der Regenwurm schon von allen zur Auswahl stehenden Ködern der am wenigsten Sportmäßige, gewissermaßen der letzte Notbehelf; Engerlinge, Egel, Schnecken, Raupen usw. scheiden ganz aus, desgleichen die Kaulquappe, so vorzüglich sie auch in manchen Gewässern für Karpfen sein mag; ich persönlich verzichte auch völlig auf Fleischmaden.
Es ist immer ein sehr schlechtes Zeichen, wenn jemand beim Fischen alle „menschlichen“ Gefühle des Ekels, der Reinlichkeit usw. verleugnet; als Sportsgenossen sollte man solche Leute sich immer fern halten. Die als sportmäßig verbleibenden Köder sind zweierlei Art: natürliche und künstliche. MERKE: Die natürlichen verdienen aus praktischen Gründen unter allen Umständen den Vorzug. Freilich, unter den immer und immer wieder genannten natürlichen Ködern gibt es verhältnismäßig viele, die gerade dem an feinere Methoden gewöhnten Sportsfischer fast unpraktisch erscheinen. Erbsenbrei, Brot, weicher Käse, gequollenes Getreide, Kirschen, Trauben und andere Beeren, gedicktes Blut, gekochtes Hirn usw. wurden von der Strömung leicht fortgespült und von gewissen unsicheren Kantonisten des Fischgeschlechts sauber vom Haken geschleckt, worauf sich solche in der Regel empfehlen. Wer freilich von Jugend auf an derartige Köder, womöglich an ganz bestimmten Gewässern und Stellen im Hinblick auf ganz bestimmte Fischgattungen gewöhnt ist, kann mit ihnen gewiss Erfolge erzielen; der Zufall ist übrigens auch hier der beste Entdecker.
Sportmäßiges Fischen erlaubt vor allem größere geflügelte Insekten: Heuschrecken, Maikäfer usw., sodann die Köderfische.
Sie werden zuerst getötet, Insekten durch Eindrücken des Kopfes und der Brust, Maikäfern zwickt man den Kopf ab, Köderfische schnellt man mit dem Finger kräftig auf den Kopf; sie auf den Boden zu schleudern, halte ich nicht für richtig. Dagegen hat die von Robida empfohlene Methode (Einwerfen in ein mit 50-prozentiger Formaldehydlösung halb gefülltes Einmachglas) viel für sich.
Die Insektenköder kann man nach Tötung ohne weiteres verwenden, nur muss man sie, wie schon angedeutet, richtig anködern. Grundsatz: Kopf vorn über dem Hakenbogen; der Widerstand des Wassers treibt die Flügel auseinander, das Insekt macht dadurch den Eindruck, als ob es fliegend ins Wasser gefallen wäre; auf diese Weise ermöglicht sich eine elegante Fischerei, die der mit der künstlichen Fliege nicht viel nachsteht. Bei Maikäfern, einem ganz vorzüglichen Köder auf große Forellen, auch große Aiteln (Döbeln) usw., braucht man die Ködernadel und verwendet zweckmäßig Doppelhaken, die wie zwei Gliedmaßen nach unten stehen.
Köderfische behandelt man heutzutage fast überall mit Formalin. Verwendet man sie rasch, so genügt das Einschlagen in formalingetränkte Gaze. Dagegen kann man sie in Einmachgläsern mit Formalin monatelang konservieren; dieses erst (Robida empfiehlt eine Mischung von 2-prozentiger Formaldehydlösung mit 20-30 % absoluten Alkohols) gibt den meist sehr weichen Köderfischen eine gewisse wünschenswerte Zähigkeit, die sie weit brauchbarer als selbst lebend macht. Trübt sich die Lösung, so muss man sie erneuern. Zweckmäßig ist es auch, die Fische vor dem Einlegen zu spülen, doch schone man ja die bei den meisten von ihnen außerordentlich empfindliche Beschuppung.
Die wichtigsten Köderfische sind: Laube, Pfrille, Mühlkoppe, Grundel, auch kleine Aiteln und Rotaugen, also kleine, nicht zu breite, glänzende Gattungen. Fische mit Rückenstacheln empfehlen sich weniger und dass der Hecht mit Vorliebe auf den Barsch sozusagen wegen persönlichen Hasses und Neides sich stürze, halte ich für Fischerlatein.-
Zum Schluss noch ein Wort über die Behandlung des Wurmes, den man auch nicht verwenden kann, wie man ihn findet. Die nach Regenwetter aus der Erde kriechenden Würmer sind überhaupt nicht zu empfehlen, die besten sind solche in Düngerhaufen. Dass man große Fische nur mit den ganz besonders ekelhaften großen Regenwürmern fangen könne, ist ein Aberglaube; dafür tritt zweckmäßig der Fischköder ein. Man reinigt die Würmer vor Gebrauch durch Aufbewahren in feuchtem Moose, wohl auch durch Übergießen mit Wasser. Manche Angler legen sich übrigens wahre Brutplätze für Regenwürmer an (in Form von kleinen Mistbeeten); neuerdings bekommt man gereinigte Laubwürmer usw. sogar in Geschäften, die sie Schockweise zum Versand bringen. Zum Anködern des Wurmes eignet sich am besten das sog. „Stewartsche Hakensystem“, wobei man den Wurm nur ganz geringfügig zu verletzen braucht.
Künstliche Köder können nur dann auf Erfolg rechnen, wenn der Fisch in dem Moment des Zuschnappens angehauen werden kann. Die Nachahmung mag noch so täuschend sein, auf den Fisch wirkt sie natürlich nur als Reiz; sowie er sie spürt, speit er sie aus. Ist er dann noch nicht angehauen, verschwindet er und wird zudem in den meisten Fällen vergrämt sein. Außerdem ist dieser Reiz nur wirksam, solange der künstliche Köder in fortwährender Bewegung ist. Daraus erhellt aber auch, dass es auf die treue Nachahmung überhaupt nicht ankommt; vielfach ist irgendein farbiges oder blitzendes Gebilde abenteuerlicher Form besser, als die schönste Nachbildung eines Köderfischchens z.B., ja, sogar besser als ein natürlicher Köder, wenn auch im Prinzip das oben über deren Vorzüge gesagte völlig aufrecht zu erhalten ist; manche Raubfische (für Friedfische taugen die künstlichen Köder im allgemeinen überhaupt weniger) ausübt, ist geradezu oft unwiderstehlich und ganz unabhängig von dem hungrigen Magen etwa, wie manche meinen. Aber dieser Reiz wohnt dem künstlichen Köder an sich keineswegs inne, er wird nur durch geschickte Führung hervorgerufen; der Erfolg hängt im höchsten Grade von der Kunst des Fischenden ab; darum gilt auch das Angeln mit künstlichem Köder, besonders mit der künstlichen Fliege, als höchster Sport.
In neuerer Zeit werden immer zahlreicher sog. „Fischwitterungen“ angeboten (Mittel um den Köder durch Bestreichen damit besonders verlockend zu gestalten); der „Wissenschaft halber“ habe ich auch damit meine Versuche gemacht, konnte aber auch bei (plötzlicher) Weglassung keine Verminderung des Erfolges feststellen. Möglich ist, dass der Geruchssinn der Fische gut ausgebildet ist. Bei vielen Angelmethoden ist natürlich die Verwendung von Tibetin, Reiherin, Piscigluten usw. ganz zwecklos, ja unmöglich, wie sich aus ihrer Beschreibung von selbst ergeben wird.

Dieser Beitrag wurde unter Historisches, Köder -Allgemein- veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.