Lenny Middleton -1975-

Lenny Middleton

Im Sommer 1975 fischte der damals noch unbekannte Lenny Middleton in einem Gewässer, das außer den vorhandenen Karpfen einen reichen Bestand an Brassen und Schleien aufwies.

Fortwährend wurde der weiche Köder vom Haken gepflückt, was besonders während der Nacht ärgerlich war. Sobald er eingeworfen hatte, stürzten sich Brassen und Schleien auf den Köder. Die Karpfen fanden meistens einen leeren Haken vor. Um dieses Problem zu lösen, hat er zu Hause die großen Köderkugeln mit hohem Eiweißgehalt für eine Minute in kochendes Wasser gelegt. Sie bekamen dadurch eine gummiartige Außenschicht. Auch dieser neue Köder war den hartnäckigen Angriffen der Weißfische nicht gewachsen. Der Köder war immer noch zu weich. Nachdem er mit verschiedenen Zutaten experimentiert hatte, ersetzte er Milchpulver und Weizenkleie durch Grießmehl. Aus diesem Teig rollte er kleinere Kugeln und kochte diese sogar fünf Minuten. Auf diese Weise wurden die Kugeln durchgehärtet. Middleton war jetzt voller Zuversicht, dass er dank dieses Köders auf jeden Fall von der Brassenplage erlöst wäre. Fraglich war aber, ob die Karpfen überhaupt an diesen harten Kugeln interessiert sein würden. Als Lenny zum ersten Experiment an seinem vertrauten Platz angelangt war, bemerkte er, dass die gekochten Kugeln während des Abkühlens noch härter geworden waren. So hart, dass er noch mehr an seinem neuen Köder zweifelte. Außerdem wurde Lenny mit dem Problem der Köderbefestigung konfrontiert: Wie sollte diese harte Kugel an den Haken gesteckt werden?

Plötzlich wurde ihm klar, dass er unmöglich den Haken durch den Köder schlagen konnte. Aber er war nun einmal an Ort und Stelle, und die weichen Köder hatte er absichtlich zu Hause gelassen. Es blieb ihm also nichts anderes übrig, als es mit diesen Betonkugeln zu versuchen. Er befestigte einen Haken Größe 2, drückte daraufhin den Köder über die Hakenspitze, schon ihn weiter über den Hakenschenkel, wobei die Spitze völlig frei blieb. Lenny Middleton warf an einer Stelle aus, von der er wusste, dass sich dort regelmäßig Karpfen aufhalten. Er war von Zweifeln gequält. In allen Fachbüchern stand ja, dass der Haken unsichtbar verhüllt sein müsse, weil der Karpfen sonst abgeschreckt würde. Er beschloss deswegen, sich einige Stunden hinzulegen. So weit kam es aber nicht, denn schon bald fing der elektronische Bissanzeiger zu summen an, und die Schnur wurde mit großer Geschwindigkeit von der Spule angezogen.

Da musste ein gewaltiger Fisch sein, unverkennbar ein Karpfen! Sofort nach dem Fang kontrolliert Lenny, ob dieser Fünfzehnpfünder nicht blind sei, und als sich dann herausstellte, dass das nicht der Fall war, fragte er sich, ob nicht alle Geschichten über den verborgenen Haken reine Erfindung wären. Auf jeden Fall hatte Lenny jetzt die Erfahrung gemacht, dass ein riesiger Karpfen einen harten Köder von einem Haken mit freier Spitze genommen hatte.

Er köderte abermals an und warf wieder ein. Innerhalb einer Stunde fing er wieder einen schönen Karpfen. Jetzt wusste er genug. Lenny informierte seinen Angelkameraden Keith Gillings, der irgendwo am gleichen Wasser fischte. Keith versuchte sofort diesen neuen Köder und auch er hatte Erfolg. Am Ende des Ansitzes kamen die zu dem Schluss, dass sie mit dem neuen Köder nicht nur die Brassen und Schleien abwehren konnten, sondern dass sie außerdem erheblich mehr Karpfen gefangen hatten als sonst. Obgleich Lenny und Keith sich darüber im Klaren waren, dass sie eine bedeutende Entdeckung gemacht hatten, konnten sie in diesem Augenblick überhaupt nicht ahnen, was für eine gewaltige Veränderung dies für die Karpfenfischerei bedeuten sollte.

Rein zufällig erfuhr Lenny, dass die Befürchtung, Karpfen hätten Angst vor dem großen Haken, nicht berechtigt war. Im Grunde erreichte er mit dem großen Haken, dass der Karpfen sich selber hakte. Obgleich er dieses „side-hooking-system“ (d.h. dass der Köder an der Haken steckt) nicht zielbewusst entwickelt hatte, funktionierte es eigentlich wie eine Art „bolt-rig“. Auf diese Weise wurde die Basis für die Entwicklung der jetzigen „bolt-rigs“ und „hair-rigs“ gelegt.              

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